Geplante Meldepflicht für potenziell aggressive Steuergestaltung

Nach einem Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission sollen sogenannte Intermediäre potenziell aggressive grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle ihrer Mandanten an die Finanzverwaltung melden. Intermediäre sind alle Personen, die in steuerberatende Dienstleistungen eingebunden sind, also Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte oder auch Banken.

Was jedoch als „potenziell aggressiv“ einzustufen ist, bleibt fraglich. Eine genaue Definition liefert die EU nicht, vielmehr zeigt sie gewisse Kennzeichen auf, die auf eine potenziell aggressive Steuergestaltung hindeuten. Wird eines dieser Kennzeichen durch eine Steuergestaltung verwirklicht, hat der Intermediär dies zu melden. Ein Fall der Meldepflicht ist etwa bei einer doppelten Nichtbesteuerung oder einem doppelten Betriebsausgabenabzug als verwirklicht anzusehen.

Während bestimmte Aspekte vom Intermediär zu melden sind, müssen ergänzende Inhalte durch den Steuerpflichtigen selbst gemeldet werden, sofern er den Intermediär nicht von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung entbindet. Entweder müssen somit zwei Meldungen für denselben Sachverhalt abgegeben werden oder aber der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder sonstiger Intermediär wird von seiner berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht entbunden. Die "Bestrafung" der vollumfänglichen Beibehaltung der berufsrechtlichen Verschwiegenheit mit erhöhtem Verwaltungsaufwand ist äußerst kritisch zu sehen. Aufgrund der besonderen Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen Steuerberater und Mandanten darf eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht – wie bisher - ausnahmsweise nur dann stattfinden, wenn der Berater einen begründeten Verdacht auf die Verwirklichung von Straftatbeständen hat - nicht aber im Sinne einer (vermeintlichen) Arbeitserleichterung der Behörden.

Auch wenn grundsätzlich Initiativen zur Verhinderung illegaler Steuerpraktiken im Sinne eines fairen Wettbewerbs zwischen Unternehmen zu begrüßen sind, schießt die EU mit ihrem Vorhaben weit über dieses Ziel hinaus. Denn die Meldepflicht soll gerade auch grenzüberschreitende Steuergestaltungen bei ordnungsgemäßer Gesetzesanwendung und ohne strafrechtlichen Bezug umfassen. Allein die Tatsache, dass es sich um eine fiskalisch unerwünschte Steuergestaltung handelt, reicht aus, um eine Meldepflicht auszulösen. Die Annahme, dass alles Legale offensichtlich nicht vom Gesetzgeber unerwünscht sein kann, gilt somit nicht mehr. Mithin geht der Gesetzgeber mit der Meldepflicht weit über die Bekämpfung illegaler Steuergestaltungen hinaus und will legale, von ihm jedoch nicht erwünschte Gestaltungsvarianten verhindern oder aber zumindest eine schnellere gesetzgeberische Reaktion ermöglichen.

Vor dem Hintergrund dieser weitreichenden Meldepflicht scheint es dringend angeraten, den Steuerpflichtigen Klarheit zu verschaffen, welche Gestaltungen als tatsächlich aggressiv gelten. Dies würde zumindest ermöglichen, einer Meldepflicht durch die Meidung bestimmter Steuergestaltungen aus dem Weg zu gehen. Dieser Aspekt der Kooperation zwischen Steuerpflichtigem und Finanzverwaltung, wie etwa im Zuge einer Einführung eines Tax-Compliance-Systems, fehlt dem aktuellen Gesetzesvorstoß.


Prof. Dr. Mario Henry Meuthen, Steuerberater

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