Grundstücke mit stillen Reserven sind Umstrukturierungshindernisse - Aber es gibt § 6b EStG!
Die Übertragung von Grundstücken im Betriebsvermögen stellt in der steuerlichen Praxis ein zentrales Problem dar. Bei der Veräußerung von Grundstücken werden regelmäßig stille Reserven aufgedeckt, die zum Zeitpunkt der Veräußerung zu versteuern sind, mit der Folge entsprechender Liquiditätsabflüsse. Das ist dann problematisch, wenn der Kaufpreis für eine Reinvestition im Unternehmen benötigt wird. Eine Lösung bietet § 6b EStG - zwar eine Norm mit Buchstaben, trotzdem schon viele Jahrzehnte im Einkommensteuerrecht verankert. § 6b EStG vermeidet die Besteuerung stiller Reserven aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter, insbesondere Grundstücken, durch Übertragung dieser auf andere Wirtschaftsgüter. So erlaubt diese Begünstigung Steuerpflichtigen, die Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken, Gebäuden oder auch Binnenschiffen des Anlagevermögens, sofern diese Wirtschaftsgüter mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen gehört haben, auf neu angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter derselben Art zu übertragen oder eine entsprechende temporäre Rücklage zu bilden. Ziel ist es, die Besteuerung der stillen Reserven aufzuschieben, sofern eine Reinvestition innerhalb von vier bzw. sechs Jahren erfolgt. Die Übertragung ist der Höhe nach nicht begrenzt und steht allen Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften offen. Betriebswirtschaftlich kann dies zu einer Steuerstundung führen, die – je nach weiterer Gestaltung – bis hin zu einer dauerhaften Steuerentlastung reichen kann. Eine wichtige und systematisch sinnvolle Norm, die viele Umzüge von Unternehmen in neue Gebäude erst ermöglicht hat.
Im Kontext von Umwandlungen hat § 6b EStG ebenfalls Bedeutung. Zum einen kann eine bereits existierende Rücklage bei Verschmelzungen, Spaltungen oder Einbringungen auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen, wenn die Umwandlung zu Buch- oder Zwischenwerten erfolgt und der übernehmende Rechtsträger in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers tritt. Die Reinvestitionsfrist läuft dann beim Übernehmer weiter, der die Rücklage auch auf eigene Reinvestitionsobjekte übertragen kann. Allerdings ist zumindest eine Rettung der Rücklage „in letzter Minute“ ausgeschlossen: Fällt der steuerliche Übertragungsstichtag mit dem Ende der Reinvestitionsfrist zusammen, muss die Rücklage beim übertragenden Rechtsträger bereits aufgelöst werden und kann nicht mehr übergehen. Hier wurde § 6b EStG auch schon zur Stolperfalle.
Außerhalb des systematischen und vom Gesetzgeber gewollten Grundprinzips eröffnet sich bei Umstrukturierungen Gestaltungspotenzial, wenn eine Rücklage nach § 6b EStG im Zuge von Umwandlungen oder Einbringungen auf Gesellschaften mit bestehenden Verlustvorträgen übertragen werden. Wird die Rücklage dort anschließend erfolgswirksam aufgelöst und mit den Verlustvorträgen verrechnet, kann aus der ursprünglich nur beabsichtigten Steuerstundung faktisch eine dauerhafte Steuerersparnis werden – freilich unter Beachtung einer möglichen Mindestbesteuerung.