Insolvenzverschleppung - wenn Untätigbleiben zu Strafbarkeit führt
Die Pflicht der Geschäftsleitungsorgane eines Unternehmens zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags in einer Krisensituation ist mit persönlichem Straf- und Haftungsrisiko verbunden. Die gesetzgeberische Intention hinter dem Straftatbestand der Insolvenzverschleppung ist es, die Gläubigerinteressen zu wahren. Fehlerhaftes Agieren in diesem Kontext stellt eines der größten persönlichen Haftungsrisiken für die Geschäftsleitungsorgane dar. Häufig sind mittelständische Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Phasen betroffen; jedoch auch Start-ups, deren Welt geprägt ist von Innovation, Tempo und Unsicherheit. Gründer arbeiten mit Begeisterung an einem Geschäftsmodell und können dabei rechtliche Pflichten aus dem Blick verlieren. Sobald ein Unternehmen droht, zahlungsunfähig zu werden, oder bereits zahlungsunfähig oder überschuldet ist, verpflichtet das Insolvenzrecht die Geschäftsleitung dazu, innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen. Wird diese Pflicht verletzt, drohen nicht nur strafrechtliche Konsequenzen, sondern auch erhebliche zivilrechtliche (persönliche) Haftungsfolgen.
Die Schwierigkeit in der Praxis besteht darin, frühzeitig zu erkennen, wann ein Liquiditätsengpass in eine Insolvenzreife übergeht. Viele Unternehmen erleben temporäre wirtschaftliche Engpässe, etwa durch saisonale Schwankungen, Zahlungsausfälle oder gestiegene Kosten. Diese Situationen können mit geeigneten Maßnahmen überwunden werden und begründen allein noch keine Antragspflicht. Doch genau hier beginnt eine gefährliche Gratwanderung: Wer zu lange auf eine Verbesserung der Lage hofft, und dabei objektive Anzeichen der Insolvenzreife ignoriert, läuft Gefahr, sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar zu machen. Dabei reicht es für die Tatbestandserfüllung bereits aus, dass die verspätete Antragsstellung objektiv geeignet ist, die Gläubigerinteressen aufs Spiel zu setzten. Eine häufige Fehlerquelle ist die Hoffnung, dass sich kurzfristig eine Lösung ergibt. Doch das Abwarten ohne realistische Sanierungsperspektive kann fatale Folgen haben. Die Geschäftsleitung haftet persönlich für Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet wurden und riskiert zusätzlich ein strafrechtliches Verfahren.
Um diesem Risiko vorzubeugen, ist eine engmaschige Liquiditätsüberwachung und eine sukzessive Prüfung des Überschuldungsstatus unerlässlich. Geschäftsführer sollten frühzeitig auf Warnsignale reagieren, regelmäßig externe Berater hinzuziehen und jeden Sanierungsversuch dokumentieren. Es empfiehlt sich außerdem, interne Prozesse zur Krisenerkennung und Entscheidungsfindung zu etablieren. Sobald die Schwelle zur Insolvenzreife auch nur denkbar überschritten ist, sollte nicht gezögert werden. Denn zwischen berechtigtem Zuwarten und strafbarer Insolvenzverschleppung ist es nur ein kurzer Weg.
Widersprüchlich und deshalb besonders fatal: In der Rechtsprechung gibt es Tendenzen, die Geschäftsleitung auch verantwortlich zu machen, wenn sie zu früh (!) Insolvenzantrag stellt.

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Daniela Düwel
Steuerberaterin, Diplom-Betriebswirtin
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