Leben und/oder Vermögen im Ausland: Welches Erbrecht ist auf den Nachlass anwendbar?

Jedes Land hat spezielle Regeln dafür, welche Rechtsordnung auf den Erbfall anwendbar ist. Diese bestimmen, welches Erbrecht zum Tragen kommt, wenn Berührungspunkte zu mehreren Ländern bestehen. Dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts kommt dabei besondere Bedeutung zu.

Ein Beispiel vermag dies zu verdeutlichen: Ein Erblasser, der seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, hinterlässt Vermögen in mehreren Ländern, darunter ein Konto in der Schweiz und ein Haus in Boston, Massachusetts (USA). Aus deutscher Sicht regelt die Europäische Erbrechtsverordnung, dass das gesamte Erbrecht nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts – also deutschem Recht – beurteilt wird. Doch im internationalen Kontext gelten oft andere Regeln: So wenden Schweizer Gerichte auf die Immobilie das Recht des Landes an, in dem sie sich befindet (das sogenannte Belegenheitsrecht), also US-amerikanisches Recht. Auch Massachusetts wendet auf die Immobilie sein eigenes Recht an. Komplizierte Erbangelegenheiten können die Folge sein.

Die Bedeutung des gewöhnlichen Aufenthalts zeigt sich insbesondere bei einem Wohnsitzwechsel. Zieht eine Person beispielsweise aus Deutschland nach Mallorca, um dort ihren Lebensabend zu verbringen, wird mit dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts sowohl aus deutscher als auch aus spanischer Sicht spanisches Erbrecht anwendbar. Dies kann weitreichende Folgen haben, insbesondere wenn das Erbrecht des neuen Wohnsitzstaates völlig andere Regelungen vorsieht – etwa zur Testierfreiheit, zur Erbfolge oder zu Pflichtteilen. Wer dies nicht möchte, kann eine Rechtswahl treffen, hin zum Recht des Staates der Staatsangehörigkeit.

Wer also plant, ins Ausland zu ziehen oder Vermögen in verschiedenen Ländern hat, sollte frühzeitig Vorsorge treffen und sich informieren, welche rechtlichen Auswirkungen sich aus dem internationalen Kontext ergeben. Mit einer Rechtswahl können ungewollte Folgen vermieden und der Nachlass nach den eigenen Wünschen geregelt werden.


Helmut Heinrich, Wirtschaftsprüfer & Steuerberater

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