Nachweis kürzerer Restnutzungsdauern bei Gebäuden - Finanzämter müssen restriktive Haltung endlich aufgeben!

Die Abschreibung für ein zur Einkünfteerzielung genutztes Gebäude bestimmt sich nach den festen Prozentsätzen der gesetzlichen Regelung des Einkommensteuergesetzes. Nach dem Grundfall ist eine gesetzliche Nutzungsdauer von 50 Jahren bestimmt. Allerdings sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass alternativ die tatsächliche Nutzungsdauer für die Ermittlung der Abschreibung eines Gebäudes herangezogen werden kann, wenn diese eine kürzere als die gesetzliche Nutzungsdauer aufweist. Ob eine solche verkürzte Nutzungsdauer vorliegt, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Damit räumt das Gesetz dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht ein, ob er sich mit dem typisierenden Abschreibungssatz zufrieden gibt oder eine tatsächlich kürzere Nutzungsdauer geltend macht. Dies ist selbstverständlich nur dann möglich, wenn es dafür auch Gründe gibt.

In der Praxis wehren sich die Finanzämter bislang häufig gegen eine verkürzte Nutzungsdauer und halten an der gesetzlichen Grundannahme fest. Über die Darlegung der tatsächlichen Nutzungsdauer entbrennt daher oftmals ein langwieriger Streit zwischen Steuerpflichtigem und Finanzamt, insbesondere weil die Anforderungen der Finanzverwaltung sehr hoch liegen.

Dem ist der Bundesfinanzhof (BFH) nun entgegengetreten. In einem Urteil stellte er klar, dass der Steuerpflichtige sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer jeder Darlegungsmethode bedienen kann, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Erforderlich ist dabei allerdings, dass die Darlegung des Steuerpflichtigen Aufschluss über die maßgeblichen Gründe, zum Beispiel den technischen Verschleiß oder die wirtschaftliche Entwertung gibt, welche die Nutzungsdauer im Einzelfall beeinflussen.

Das Finanzamt hat von der Schätzung des Steuerpflichtigen auszugehen, solange dieser Erwägungen zugrunde liegen, wie sie ein vernünftig wirtschaftender Steuerpflichtiger üblicherweise anstellt. Da im Rahmen der Schätzung des Steuerpflichtigen keine Gewissheit über die kürzere tatsächliche Nutzungsdauer vorliegen kann, sondern allenfalls größtmögliche Wahrscheinlichkeit verlangt werden kann, ist sie nur dann seitens der Finanzverwaltung zu verwerfen, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liegt.

Die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens seitens des Steuerpflichtigen stellt dabei keine notwendige Voraussetzung für die Anerkennung einer verkürzten tatsächliche Nutzungsdauer dar. Wählt ein Steuerpflichtiger aus nachvollziehbaren Gründen eine andere Nachweismethode, kann diese ebenfalls Grundlage für eine Schätzung sein. Da im Rahmen der Schätzung nur die größtmögliche Wahrscheinlichkeit über eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer verlangt werden kann, würde eine Verengung der Gutachtermethodik oder eine Festlegung auf ein bestimmtes Ermittlungsverfahren die Anforderungen an die Feststellungslast übersteigen.

Vor diesem Hintergrund sollte in der Praxis wieder vermehrt in Erwägung gezogen werden, ob im jeweiligen Einzelfall eine kürzere Restnutzungsdauer der Immobilie angesetzt werden kann, um gegebenenfalls eine Durchsetzung beim Finanzamt anzustreben.


Daniela Düwel, Steuerberaterin, Diplom-Betriebswirtin

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