Übertragung von Unternehmensvermögen an Mitarbeiter – Schenkung oder Arbeitslohn?

Die unentgeltliche Übertragung von Unternehmen und Anteilen an Unternehmen wird in Deutschland in steuerlicher Hinsicht grundsätzlich privilegiert behandelt. Mit dem Ziel die Eigentumsverhältnisse mittelständischer Unternehmen zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu sichern, verschafft das Erbschaftsteuergesetz unter bestimmten Voraussetzungen eine Steuerfreistellung des unentgeltlichen Erwerbs von 85 % oder gar 100 %.

 

Insbesondere in Familienunternehmen wird das Ziel verfolgt, die Unternehmensnachfolger auf ihre zukünftigen Aufgaben im Betrieb vorzubereiten, indem diese aktiv im Unternehmen mitarbeiten. Der zukünftige Unternehmensinhaber erzielt dabei normalerweise Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Kommt es nun zu einer unentgeltlichen Übertragung von Unternehmensanteilen, kann im Einzelfall ein Qualifikationskonflikt entstehen, da der Empfänger Arbeitnehmer und Beschenkter zugleich ist. In solchen Fällen ist fraglich, ob die unentgeltliche Übertragung unter das Besteuerungsregime des Erbschaftsteuergesetzes fällt und damit gegebenenfalls steuerlich begünstigt wird, oder ob die Übertragung als Entgelt für bisher erbrachte Leistungen deklariert und damit als nichtselbständige Einkünfte versteuert werden muss.

 

Eine gesetzliche Subsidiaritätsregelung zwischen der Annahme einer Schenkung und der Einordnung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit existiert nicht. Auch bestehen keine allgemeingültigen Differenzierungskriterien, so dass nach dem Gesamtbild der individuellen und tatsächlichen Verhältnisse ein Indizienkatalog entwickelt werden muss. Leitlinien bildet hier vornehmlich die bestehende Rechtsprechung der Finanzgerichte (FG), letztmalig bestätigt durch das FG Sachsen-Anhalt im Jahre 2022. Dieses kam im Urteilsfall zur Einordnung der unentgeltlichen Übertragung als Schenkung. Seine Entscheidung machte das FG insbesondere an den folgenden Fragen fest: Sind an die Übertragung Bedingungen oder Beschränkungen geknüpft, bestehen Rückübertragungsverpflichtungen, ist die Zuwendung durch ein Dienstverhältnis veranlasst, ist die Übertragung durch strategische und auf die Unternehmensfortführung gerichtete Motive getragen, ist die Fortführung des Dienstvertrags mit dem Bedachten für den übertragenden Altgesellschafter maßgeblich, geht mit der Übertragung die Abgeltung erbrachter oder zukünftiger Dienstleistungen einher und wird eine Mindestbesitzzeit für die übertragenen Anteile vereinbart?

 

Gegen das Urteil des FG Sachsen-Anhalt hat die Finanzverwaltung Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt. Der BFH hat nun die Möglichkeit, für die in der Transaktionspraxis dringend benötigte Klarheit zu sorgen und Rechtssicherheit zu schaffen. Bis zur Entscheidung des BFH müssen Steuerpflichtige jedoch mit der bestehenden Rechtsunsicherheit umgehen. Es wird dringend empfohlen, bei geplanten Transaktionen neben einer erbschaftsteuerlichen Rückfallklausel auch eine einkommensteuerliche zu vereinbaren, so dass im Falle einer nicht gewollten und ungünstigen steuerlichen Einordnung der Transaktion eine Rückübertragungsoption greift.


Christian Kaussen, Wirtschaftsprüfer & Steuerberater

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