Wirtschaft unter Generalverdacht? – Neues Sanktionsgesetz gegen Unternehmen

Das Bundeskabinett hat die Gesetzesvorlage für ein "Gesetz zur Stärkung der Integrität der Wirtschaft" an Bundestag und Bundesrat ins Gesetzgebungsverfahren geleitet. Der Widerstand aus der Wirtschaft ist massiv. Somit müssen Staatsanwälte künftig bei Straftaten nicht mehr nur gegen Manager und Mitarbeiter, sondern gegen das gesamte Unternehmen ermitteln. 10 % des Jahresumsatzes können bei Betrug als Strafe fällig werden. Unstreitig ist demgegenüber, dass Deutschlands Wirtschaftsstrafrecht grundsätzlich reformiert werden muss.

In einer Vielzahl von Fällen – ganz prominent: Wirecard, Tönnies, VW (Abgasbetrug) und diverse Korruptionsaffären – können Ermittler und Richter nur mit "juristischen Krücken" agieren. Diskutiert wird nun aber, ob das geplante Gesetz die eigentliche Intention, nämlich das Unternehmenssanktionsrecht zu modernisieren und rechtssichere Anforderungen an Compliance und interne Untersuchungen zu stellen, nicht stark verfehlt.

Wesentlicher Kritikpunkt ist die mangelnde Konkretisierung der erforderlichen Compliance-Maßnahmen. Das Gesetz belohnt den internen Aufklärungswillen und ebenso eine Unternehmenskultur, die besonderen Wert auf die Einhaltung der Regeln legt, mit Strafmilderung. Dieser vermeintlich positive Aspekt setzt freilich gerade den Mittelstand massiv unter Druck. Das neue große Thema ist Compliance, also die aktive Vermeidung von Regelverstößen; es knallt mit Wucht in den Mittelstand: Mit Blick auf den erheblichen Aufwand einer passgenauen Compliance-Richtlinie sieht der Gesetzgeber wohl eine zweijährige Implementierungsfrist vor.

Der Rat an die Firmen geht also dahin, ihre Geschäfts- und Entscheidungsprozesse zunächst sehr exakt zu verifizieren und Risikosphären auszuloten, insbesondere wo potenzielle Gesetzesverstöße schlummern könnten: Dies kann bei Steuer- und Abgabenfragen, bei der Einhaltung von Fristen, beim Arbeitsschutz, in arbeitsrechtlichen Themen wie Scheinselbstständigkeit oder Werkverträgen der Fall sein. Es wäre wünschenswert, wenn im weiteren Gesetzgebungsverfahren für mehr Rechtsklarheit gesorgt würde. Den Firmen und Unternehmen ist zu raten, zwischenzeitlich nicht passiv zu bleiben und Geschäfts- und Entscheidungsprozesse zumindest frühzeitig zu analysieren.


Stephan Dreckmann, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater

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