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November 2025
Vorweggenommenen Erbfolge bei Immobilien - Gestaltungspotenziale nutzen!
Immobilien sind für viele Familien ein wesentlicher Bestandteil ihres Vermögens – und zugleich ein sensibler Bereich, wenn es um die Weitergabe an die nächste Generation geht. Wer frühzeitig plant, kann nicht nur Klarheit schaffen, sondern auch finanzielle und organisatorische Vorteile nutzen
Ein wichtiger Ansatzpunkt sind die persönlichen Freibeträge. Durch eine stufenweise Übertragung an Kinder oder Ehegatten lassen sich Belastungen reduzieren, insbesondere wenn mehrere Familienmitglieder einbezogen werden. Auch Enkel können in Betracht kommen, wenn die Freibeträge der unmittelbaren Nachfolgegeneration bereits genutzt sind. Gestaltungen wie zeitlich abgestimmte Schenkungen oder Kettenschenkungen ermöglichen es, die alle zehn Jahre neu verfügbaren Freibeträge auszuschöpfen. Allerdings sollte bedacht werden, dass bei Einzelobjekten durch eine Vielzahl von Bruchteilseigentümern spätere Abstimmungsprobleme entstehen können.
Besteht das Vermögen aus mehreren Objekten oder soll der Bestand geschlossen erhalten bleiben, kann ein sogenannter Familienpool zweckmäßig sein. Hierbei werden Immobilien in eine Gesellschaft eingebracht, deren Anteile innerhalb der Familie übertragen werden. Diese Struktur schafft klare Verantwortlichkeiten und erleichtert die gemeinsame Verwaltung. Zudem lassen sich im Gesellschaftsvertrag Regelungen zu Stimmrechten, Ausschüttungen oder Veräußerungen verankern. Besonders flexibel sind Personengesellschaften, da Anteilsübertragungen hier ohne notarielle Beurkundung möglich sind. Für viele Familien kann ein solcher Pool eine praktikable Lösung darstellen, um das Vermögen langfristig zusammenzuhalten und gleichzeitig die Nachfolge zu regeln.
Auch Bewertungsfragen dürfen nicht unterschätzt werden. Da die steuerlichen Bewertungsparameter regelmäßig angepasst werden, kann der Zeitpunkt einer Übertragung eine erhebliche Rolle spielen. Häufig lohnt sich ein Blick auf den Jahreswechsel. Bei einer Schenkung ist entscheidend, dass die Auflassung und die Eintragungsbewilligung vorliegen; die eigentliche Grundbucheintragung kann später folgen.
Wird ein lebenslanger Nießbrauch vorbehalten, beeinflusst das Alter der übertragenden Person den Wertabschlag: Jüngere Schenker führen zu höheren Kapitalwerten des Nießbrauchs. Erfolgen innerhalb eines Jahres mehrere Übertragungen, kann zudem das Wahlrecht der Basiswertregelung genutzt werden, um von einer einheitlichen – oft günstigeren – Bewertung auszugehen.
Die vorweggenommene Erbfolge bei Immobilien bietet mehrere Wege, Vermögen strukturiert weiterzugeben und gleichzeitig die familiären Interessen zu berücksichtigen. Welche Vorgehensweise im Einzelfall sinnvoll ist, hängt stark von den persönlichen Zielen, der familiären Situation und der Struktur des Immobilienbestands ab.
Ihr Ansprechpartner:
Prof. Dr. Mario Henry Meuthen
Steuerberater, Master of Science
+49 (0)40 734 420 600 | E-Mail
Grundstücke mit stillen Reserven sind Umstrukturierungshindernisse - Aber es gibt § 6b EStG!
Die Übertragung von Grundstücken im Betriebsvermögen stellt in der steuerlichen Praxis ein zentrales Problem dar. Bei der Veräußerung von Grundstücken werden regelmäßig stille Reserven aufgedeckt, die zum Zeitpunkt der Veräußerung zu versteuern sind, mit der Folge entsprechender Liquiditätsabflüsse. Das ist dann problematisch, wenn der Kaufpreis für eine Reinvestition im Unternehmen benötigt wird. Eine Lösung bietet § 6b EStG - zwar eine Norm mit Buchstaben, trotzdem schon viele Jahrzehnte im Einkommensteuerrecht verankert. § 6b EStG vermeidet die Besteuerung stiller Reserven aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter, insbesondere Grundstücken, durch Übertragung dieser auf andere Wirtschaftsgüter. So erlaubt diese Begünstigung Steuerpflichtigen, die Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken, Gebäuden oder auch Binnenschiffen des Anlagevermögens, sofern diese Wirtschaftsgüter mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen gehört haben, auf neu angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter derselben Art zu übertragen oder eine entsprechende temporäre Rücklage zu bilden. Ziel ist es, die Besteuerung der stillen Reserven aufzuschieben, sofern eine Reinvestition innerhalb von vier bzw. sechs Jahren erfolgt. Die Übertragung ist der Höhe nach nicht begrenzt und steht allen Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften offen. Betriebswirtschaftlich kann dies zu einer Steuerstundung führen, die – je nach weiterer Gestaltung – bis hin zu einer dauerhaften Steuerentlastung reichen kann. Eine wichtige und systematisch sinnvolle Norm, die viele Umzüge von Unternehmen in neue Gebäude erst ermöglicht hat.
Im Kontext von Umwandlungen hat § 6b EStG ebenfalls Bedeutung. Zum einen kann eine bereits existierende Rücklage bei Verschmelzungen, Spaltungen oder Einbringungen auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen, wenn die Umwandlung zu Buch- oder Zwischenwerten erfolgt und der übernehmende Rechtsträger in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Rechtsträgers tritt. Die Reinvestitionsfrist läuft dann beim Übernehmer weiter, der die Rücklage auch auf eigene Reinvestitionsobjekte übertragen kann. Allerdings ist zumindest eine Rettung der Rücklage „in letzter Minute“ ausgeschlossen: Fällt der steuerliche Übertragungsstichtag mit dem Ende der Reinvestitionsfrist zusammen, muss die Rücklage beim übertragenden Rechtsträger bereits aufgelöst werden und kann nicht mehr übergehen. Hier wurde § 6b EStG auch schon zur Stolperfalle.
Außerhalb des systematischen und vom Gesetzgeber gewollten Grundprinzips eröffnet sich bei Umstrukturierungen Gestaltungspotenzial, wenn eine Rücklage nach § 6b EStG im Zuge von Umwandlungen oder Einbringungen auf Gesellschaften mit bestehenden Verlustvorträgen übertragen werden. Wird die Rücklage dort anschließend erfolgswirksam aufgelöst und mit den Verlustvorträgen verrechnet, kann aus der ursprünglich nur beabsichtigten Steuerstundung faktisch eine dauerhafte Steuerersparnis werden – freilich unter Beachtung einer möglichen Mindestbesteuerung.