Konkurrenz um Fachkräfte: Mitarbeiterabwerbung kann wettbewerbsrechtlich problematisch sein!
Der Fachkräftemangel ist für viele Unternehmen längst zur strategischen Herausforderung geworden. Die richtigen Mitarbeiter zu finden, ist in vielen Branchen schwerer als neue Aufträge zu gewinnen. Wer wachsen, innovativ bleiben oder auch nur das aktuelle Niveau halten will, muss um qualifiziertes Personal kämpfen. Dies verleitet viele Unternehmen zu einer gezielten Ansprache von Fachkräften - auch von solchen, die bei direkten Konkurrenten arbeiten. Dabei wird teilweise mit harten Bandagen gekämpft - aber nicht alles ist erlaubt!
Die Schwelle zum rechtlich problematischen Bereich wird oft übersehen: Welche Form der Mitarbeiterabwerbung ist erlaubt und wann darf man noch von einer klugen Recruiting-Strategie ausgehen? Hier beginnt eine rechtliche (und auch moralische) Gratwanderung. Die gezielte Abwerbung von Mitarbeitern ist innerhalb bestimmter Grenzen zulässig. Der freie Wettbewerb gilt auch auf dem Arbeitsmarkt. Beschäftigte sind keine „Eigentumspositionen“, sondern freie Menschen mit einem Recht auf berufliche Veränderung; es gehört zur verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit und somit auch zur unternehmerischen Freiheit, dass Unternehmen aktiv auf Talente zugehen. Wettbewerbsrechtlich vertretbar ist folglich das bloße Anbieten eines höheren Gehalts oder von besseren Arbeitsbedingungen. Unzulässig wird Mitarbeiterabwerbung aber dann, wenn sie in unlauterer Weise erfolgt und dadurch Konkurrenten gezielt behindert. Entscheidend ist also die Art und Weise und der Grund der Abwerbung oder der Einflussnahme: Systematisches Abziehen von ganzen Teams, Ausnutzen von internen Informationen, das zielgerichtete Ausspähen, oder das Anstiften von Beschäftigten zu Vertragsverletzungen sollten tunlichst vermieden werden.
Wird die Abwerbung durch Kollegen vollzogen, etwa durch Gekündigte, die ihre Vertrauten zum neuen Arbeitgeber mitnehmen wollen, erfolgt ein doppelter Verstoß: Der neue Arbeitgeber greift wettbewerbswidrig und aktiv in die Betriebsstruktur eines anderen Unternehmens ein und der abwerbende Mitarbeiter verstößt gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot.
Die Praxis zeigt, dass gerade in Zeiten sozialer Netzwerke, wie LinkedIn und Xing, die Schwelle zwischen aktiver Personalgewinnung und wettbewerbswidrigem "Wildern", schnell überschritten ist. Wer auf Headhunter oder externe Dienstleister setzt, sollte darauf achten, dass auch diese den rechtlichen Rahmen, welcher lediglich eine kurze, einmalige, sachliche und telefonische Kontaktaufnahme am Arbeitsplatz vorsieht, einhalten. Verstöße können dem beauftragenden Unternehmen mit teuren Folgen zugerechnet werden.
Die Abwerbung von Fachkräften ist kein Tabu, aber auch kein Freifahrtschein. Lieber Energie in die Verbesserung von Arbeitskonditionen und deren Kommunikation als in grenzwertige Abwerbemaßnahmen stecken. Wer attraktiv ist, muss nicht aggressiv vorgehen. Der Wettbewerb um Mitarbeiter sollte mit Augenmaß, Respekt und rechtlichem Bewusstsein geführt werden.

Ihr Ansprechpartner:
Prof. Dr. Mario Henry Meuthen
Steuerberater, Master of Science
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